
geschrieben von
Bakonirina Rakotomamonjy,
Architektin, assoziierte Forscherin bei CRAterre
Bis 2050 wird die Bevölkerung Afrikas voraussichtlich 2,5 Milliarden erreichen, gegenüber 1,2 Milliarden heute. Afrika steht vor einer schweren Wohnraumkrise.
Angesichts der aktuellen ökologischen Herausforderungen reicht es nicht aus, nur die Skalierung für eine massive Wohnungsproduktion zu überdenken. Es bedarf eines Paradigmenwechsels, der auf die Implementierung nachhaltiger Prozesse zur Schaffung eines menschenwürdigen Wohnraums für alle abzielt. Dieser Prozess sollte auf einem Verständnis der Mittel und Bedürfnisse des lokalen Ökosystems basieren, um nachhaltig zu sein.
Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2015 dominieren informelle Materialien und Bauweisen den Wohnbausektor in Afrika. Die Mehrheit der Wohnungen wird von den Eigentümern selbst oder von informellen Bauunternehmern mit traditionellen Materialien gebaut. Diese Studie zeigt auch, dass formeller Wohnraum für die meisten Haushalte in Subsahara-Afrika finanziell unzugänglich ist.
Angesichts der Bedeutung traditioneller Materialien im Bausektor stellt sich die Frage: Kann heute eine wünschenswerte und nachhaltige Architektur aus traditionellen Materialien geschaffen werden?
Unabhängig davon, ob sie für Afrika oder einen anderen Kontinent gedacht ist, sollten wir uns fragen, welche Architektur wir uns für morgen wünschen. Ideal wäre eine qualitative und resiliente Architektur, die langfristig sozioökonomische Vorteile auf lokaler Ebene bringt, die Umwelt und lokale Kulturen respektiert und für die breite Masse zugänglich ist.
Das afrikanische Erbe und die jüngsten Entwicklungen für eine nachhaltigere Architektur, die geo- und biobasierte Materialien wertschätzen, zeigen, dass dieses Ideal erreichbar sein könnte.
Erdbauten sind heute mit 203 Objekten auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes vertreten. Diese Bauten zeugen durch ihre Langlebigkeit – viele davon sind jahrhundertealt – von der Nachhaltigkeit dieser Architektur. Sie demonstrieren die künstlerische, architektonische, technische und städtebauliche Genialität Afrikas. Die internationale Gemeinschaft hat auch die Fähigkeit dieser Architektur anerkannt, sich harmonisch in die Umwelt einzufügen, wie es bei Kulturlandschaften wie der Kulturlandschaft der Bassari in Senegal zu sehen ist. Diese Architekturen wirken auch als soziale Bindemittel, wie das jährliche Gemeinschaftsengagement beim Verputzen der Moschee von Djenné zeigt.
In Bezug auf die Resilienzfähigkeit dieser traditionellen Bauwerke zeigt sich, dass sie eine wichtige Rolle spielen, wenn man erkennt, dass Resilienz zuerst auf den eigenen Stärken und lokal verfügbaren Ressourcen aufbaut. Zudem bergen die afrikanischen Bautraditionen umfangreiche Kenntnisse im Umgang mit natürlichen Risiken. Frühere Generationen lernten, diese Gefahren zu verstehen und zu bewältigen, sei es durch Bautechniken, Legenden, Tabus oder Vorschriften. Diese Lektionen verdienen es, dokumentiert zu werden und könnten durch Rückwärtstechnologien wiederbelebt werden, um die Resilienz zu stärken.
Zeitgenössische Architektur mit Lehm präsentiert sich heute in einem modernen Ansatz und steht im Zeichen der Nachhaltigkeit. Die Grundschule in Gando, Burkina Faso, von Francis Kéré, erbaut 2004, bezeugt die Leistungsfähigkeit von Gebäuden aus ungebranntem Lehm. Hier wird unter anderem die architektonische Qualität und der Komfort durch bioklimatische Gestaltung hervorgehoben. Angeregt durch Kérés Dynamik und internationale Trends entstehen zahlreiche moderne Erdbauten in Afrika, wie die Ergebnisse des internationalen Wettbewerbs für Erdbauten durch Fact Sahel zeigen.
Innovationsfähigkeit in Techniken und Architektur wird oft als Leistungsindikator betrachtet. Jüngste Forschungen zeigen, dass sich lokale Materialien weiterentwickeln und Herausforderungen wie dem Klimawandel begegnen. Das senegalesische Umweltministerium und das UNDP entwickelten in Zusammenarbeit mit CRAterre ein hochisolierendes Baumaterial, das ungebrannten Lehm mit der invasiven Pflanze Typha kombiniert (2014-2016).
Glücklicherweise ist der Anteil der Emissionen auf dem afrikanischen Kontinent noch gering. Dennoch ist ein ökologisch verantwortungsvoller Ansatz erforderlich, um zu verhindern, dass Afrika in die gleichen umweltzerstörenden Muster fällt, die sich weltweit als katastrophal erwiesen haben. In Afrika sind die Emissionen des Bausektors hauptsächlich auf die Einfuhr und Produktion von kohlenstoffintensiven Materialien (Zement, Stahl und gebrannte Ziegel) zurückzuführen. Zur Kostenreduzierung ist es dringend notwendig, eine lokale Bauwirtschaft zu fördern und Zement, Sand und gebrannte Ziegel nur im unbedingt nötigen Maß einzusetzen.
Afrika verfügt über zahlreiche natürliche Ressourcen, die eine breite Palette von Bauweisen und architektonischen Antworten ermöglichen. Es ist jedoch unerlässlich, die Regeneration dieser Ressourcen sicherzustellen und nachhaltige, verantwortungsvolle Beschaffungsbedingungen auf territorialer Ebene zu schaffen. Traditionen lehren uns, dass architektonische Lösungen im Einklang mit der Natur und den verfügbaren Ressourcen nur minimale Umweltauswirkungen haben. Sie lehren uns auch, dass kulturelle Vielfalt und das Ausdrücken verschiedener Identitäten, was zu einer Vielfalt an Architektur führt, den Druck auf Ökosysteme verringern können. Eine territoriale Herangehensweise unter Einbindung staatlicher Akteure ist wichtig für die gute Verwaltung, die Regulierung der abgebauten Mengen und die Erneuerung der Ressourcen. Der Wandel im Wohnungsbau sollte daher nicht zur Standardisierung, sondern zur Diversifizierung und Lokalisierung führen.
Laut der Weltbank leben 70 % der Burundier in Lehmhäusern und 66 % der Malawier in traditionellen Häusern. UN-Habitat berichtet, dass das Eigenbauverfahren „vielleicht der einzige wohnungswirtschaftliche Ansatz ist, der in allen afrikanischen Ländern für Haushalte erschwinglich ist“. Heute wird Eigenbau mit traditionellen Materialien kritisiert, doch er deckt ein existenzielles Bedürfnis und ermöglicht eine schrittweise Verbesserung der Wohnsituation.
Der noch informelle Sektor der traditionellen Baumaterialien ist ein lebendiges Wirtschaftssystem, das bei besserer Strukturierung und Ausbildung lebensfähig wäre. Es ist wichtig, das Entstehen formal qualifizierter Unternehmen im Bereich traditioneller Baumaterialien zu fördern. Wenn die Produktion von Materialien auf handwerklicher oder halbindustrieller Ebene strukturiert ist, bietet die Nutzung lokaler Materialien großes Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen entlang der gesamten Produktions- und Baukette. Lokale Materialien haben das Potenzial, Kapital und Investitionen im Land zu halten und die Anfälligkeit gegenüber globalen Wirtschaftsschwankungen zu verringern.
Leider können traditionelle Materialien heute teurer sein als importierte. Diese Sichtweise vernachlässigt jedoch die Möglichkeit, eine langfristige Wirtschaft zu entwickeln. Die Baukosten mit traditionellen Materialien sind unter anderem aufgrund seltener Arbeitskräfte und administrativer Hürden hoch. Wäre es nicht sinnvoller, in das Humankapital aus vielen Handwerkern zu investieren? Dies könnte durch die Entwicklung technischer und beruflicher Ausbildung und die Anerkennung beruflicher Kompetenzen erfolgen. Der Kompetenzaufbau stellt eine Investition dar, die jedoch das Wissen wertschätzt, wirtschaftlichen Mehrwert und Würde in der Arbeit schafft.
Der afrikanische Bausektor wird heute von einigen wenigen großen ausländischen Unternehmen und zahlreichen kleinen einheimischen Unternehmen oder einzelnen Handwerkern dominiert. Im Hinblick auf die Skalierung der Wohnungsproduktion sollten diese kleineren Akteure gestärkt werden, um ihre lokale Expertise und Nutzung lokaler Ressourcen weiterzuentwickeln.
Die Covid-19-Pandemie hat die Endlichkeit der Abhängigkeit und die Bedeutung lokaler Produktionsketten verdeutlicht. Ungebrannter Lehm kann, ebenso wie andere lokale Materialien, zur Lösung des Wohnungsbedarfs beitragen.
Der lokal verankerte Bau ist erreichbar und hat sich bewährt. Erdbauten bestehen seit Jahrhunderten in den meisten afrikanischen Ländern, während der Einsatz von Beton kaum zwei Jahrhunderte alt ist. Zudem ist Afrika reich an vielfältigen, regenerierbaren und zugänglichen Materialien.
Architekturen mit traditionellen Materialien werden oft kritisiert, aber sie sind für alle zugänglich, bilden die Realität vieler Bewohner, stellen eine wichtige lokale Wirtschaft dar und können von hoher Qualität sein. Gestärkt durch verbessertes Wissen und handwerkliche Fähigkeiten können diese auf lokaler Intelligenz beruhenden Architekturen der Nachfrage nach nachhaltiger Architektur gerecht werden.
Quellen:
[1] Afrique : la population devrait doubler d’ici 2050, quadrupler d’ici 2100 (francetvinfo.fr)
[2] Bilan du secteur du logement en Afrique subsaharienne Défis et opportunités, Banque mondiale 2015
[3] Terra Award Sahel+ 2019 | FACT sahel+ (factsahelplus.com)
[4] Bilan du secteur du logement en Afrique subsaharienne Défis et opportunités, Banque mondiale 2015
[5] ONU‐Habitat, « Affordable Land and Housing in Africa », (Kenya : ONU‐Habitat, 2011)